1258 - 1286: Verheerende Stadtbrände und Wiederaufbau

Aus City ABC

Geschichte Wiens
1258–1286: Stadtbrände und Wiederaufbau

Zwischen 1258 und den 1280er Jahren erlebte Wien eine Folge verheerender Katastrophen und zugleich eine Phase intensiven Wiederaufbaus. Mehrere große Stadtbrände zerstörten ganze Viertel und trafen auch den Stephansdom schwer. Unter der Herrschaft Ottokars II. Přemysl wurde die Stadt wieder aufgebaut, neu geordnet und architektonisch aufgewertet. Am Ende dieser Zeitspanne stand jedoch die militärische Auseinandersetzung mit Rudolf von Habsburg, der Wien zwischen 18. Oktober und 25. November 1276 belagerte und die Machtverhältnisse an der Donau grundlegend veränderte.

Der große Stadtbrand von 1258

Am 7. August 1258 brach – zur abendlichen Vesperzeit – in der dicht bebauten mittelalterlichen Stadt ein Feuer aus, das sich rasch über weite Teile des ummauerten Wien ausbreitete. Die vorwiegend aus Holz errichteten Häuser, schmale Gassen und weit vorspringende Dachvorsprünge begünstigten die Ausbreitung der Flammen. Der Brand zerstörte einen Großteil der Innenstadt, ganze Straßenzüge lagen danach in Schutt und Asche.

Besonders schwer betroffen war die damalige Stephanskirche. Dachstuhl, Glocken und Teile der Ausstattung fielen den Flammen zum Opfer, ebenso mehrere bedeutende geistliche Einrichtungen in der Umgebung. Der Brand von 1258 hinterließ ein Bild tiefgreifender Verwüstung, das die Stadtgemeinschaft vor enorme Aufgaben stellte und zugleich den Charakter Wiens nachhaltig verändern sollte.

Wiederaufbau und neue Stadtordnung

Der Wiederaufbau nach 1258 war nicht nur eine Reparatur der Schäden, sondern auch eine Gelegenheit zur Neuordnung. Steinerne Bauten gewannen an Bedeutung, Brandmauern und bauliche Vorkehrungen gegen Feuer wurden wichtiger. Zwar blieb Wien vorerst eine gotisch geprägte, mittelalterliche Stadt, doch der Wiederaufbau führte zu einer ersten Verdichtung und Stabilisierung der innerstädtischen Bausubstanz.

Schon wenige Jahre nach dem Brand kam es zu weiteren Feuersbrünsten, die erneut große Teile der Stadt in Mitleidenschaft zogen. Die Menschen der Zeit nahmen diese Brände als wiederkehrende Bedrohung wahr, mit der sie zu leben lernten, und entwickelten nach und nach Regeln, wie mit Materialien, Dächern und offenen Feuern umzugehen war. Gleichzeitig wuchs das Bewusstsein, dass öffentliche Brunnen, Wasserleitungen und organisierte Löschmaßnahmen überlebenswichtig waren – auch wenn es bis zu einer eigentlichen Feuerordnung noch dauern sollte.

Ottokar II. Přemysl und der Wiederaufbau Wiens

In diese Phase fiel der Aufstieg Ottokars II. Přemysl, der sich nach dem Ende der Babenberger als neuer Landesherr in Österreich etablierte. Er wurde 1251 zum Herzog von Österreich und später zum König von Böhmen und formte damit ein Herrschaftsgebilde, das Wien als wichtigen Stützpunkt umfasste.

Ottokar erkannte die Bedeutung der Stadt als politisches und wirtschaftliches Zentrum an der Donau. Der Wiederaufbau nach den Bränden bot ihm die Möglichkeit, seine Herrschaft sichtbar zu verankern: durch repräsentative Bauten, durch die Förderung von Handel und Gewerbe und durch eine stärkere Einbindung der Stadt in seine überregionale Politik. Wien wurde in dieser Zeit zu einem wichtigen Pfeiler seines mittel- und südosteuropäischen Herrschaftsraums.

Auch Münzfunde und Urkunden belegen die Rolle Wiens als wirtschaftliches Zentrum unter Ottokar. Die Stadt diente als Prägeort und Umschlagplatz, und der Wiederaufbau nach den Bränden schuf jene bauliche Infrastruktur, auf der die weitere Entwicklung im späten 13. Jahrhundert aufbauen konnte.

Der Stephansdom: Zerstörung und Chance zum Ausbau

Der Brand von 1258 traf die damalige Stephanskirche im Herzen der Stadt schwer. Beim anschließenden Wiederaufbau entschied man sich nicht einfach für eine genaue Rekonstruktion des Verlorenen, sondern nutzte die Gelegenheit, die Kirche zu vergrößern und zu modernisieren. Das Langhaus wurde erhöht und verlängert, und die Westfront erhielt jene Gestalt, die als romanisch-gotischer Übergang bis heute erkennbar ist.

Unter dem neuen Landesherrn Ottokar II. wurde der Bau vorangetrieben, und 1263 konnte der erneuerte Bau unter dem Pfarrer Gerhard von Siebenbürgen neu geweiht werden. Der Dom wurde zunehmend zum geistlichen Zentrum der Stadt und zum sichtbaren Symbol für ihren Wiederaufstieg nach der Katastrophe.

Doch die Ruhe währte nicht lange. 1276 wurde Wien erneut von Stadtbränden heimgesucht, die diesmal vor allem den Chorbereich des Stephansdoms beschädigten. Die Westfassade blieb hingegen weitgehend verschont. Wiederum mussten Reparaturen und Neubauten in Angriff genommen werden. Diese Abfolge von Zerstörung und Wiederaufbau prägte die Gestalt des Doms und trug dazu bei, dass Wien bereits im 13. Jahrhundert ein markantes, weithin sichtbares Sakralbauwerk erhielt.

Wien im politischen Kraftfeld des späten 13. Jahrhunderts

Während die Stadt an ihrer baulichen Erneuerung arbeitete, verschoben sich die politischen Kräfteverhältnisse in Mitteleuropa. Ottokar II. hatte seine Macht von Böhmen über Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain und weitere Gebiete ausgedehnt und war zu einem der mächtigsten Fürsten des Reiches aufgestiegen. Mit der Wahl Rudolfs I. von Habsburg zum römisch-deutschen König 1273 geriet dieses Machtgefüge ins Wanken.

Rudolf forderte die Rückgabe all jener Territorien, die Ottokar ohne kaiserliche Belehnung erworben hatte. Der Konflikt spitzte sich in mehreren Feldzügen zu. Für Wien bedeutete dies, dass die Stadt, die eben erst ihren Wiederaufbau vorangetrieben hatte, erneut in den Mittelpunkt militärischer Auseinandersetzungen geriet.

Belagerung und Friedensschluss: Rudolf vor Wien (1276)

Zwischen dem 18. Oktober und dem 25. November 1276 ließ Rudolf I. Wien belagern. Zuvor hatten sich bereits zahlreiche Adelige in den habsburgfeindlichen Gebieten auf die Seite des neuen Königs gestellt, sodass Ottokar zunehmend isoliert war. Die Stadt, noch gezeichnet von den Bränden der vergangenen Jahre, sah sich nun von einem königlichen Heer eingeschlossen.

Die Belagerung war nicht nur ein militärisches Ereignis, sondern auch ein politisches Schauspiel. Am Ende stand der sogenannte Frieden von Wien: Ottokar musste Rudolf als rechtmäßigen König anerkennen und auf die Herzogtümer Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain verzichten. Lediglich Böhmen und Mähren blieben ihm als Lehen.

Für Wien bedeutete dies einen erneuten Herrschaftswechsel. Nach Jahren unter Ottokar traten nun die Habsburger als neue Macht an der Donau in Erscheinung. Die Stadt lag damit an der Schwelle zu einer langen dynastischen Epoche, deren Anfänge mitten in einer Phase von Bränden, Belagerung und Wiederaufbau lagen.

Langfristige Folgen 1258–1286

Die Jahre zwischen dem großen Stadtbrand von 1258 und den politischen Umbrüchen der 1270er und 1280er Jahre markieren einen Übergang in der Geschichte Wiens. Die Stadt lernte, mit der ständigen Gefahr von Feuer zu leben, entwickelte neue bauliche und organisatorische Antworten auf Katastrophen und gewann zugleich an politischer Bedeutung im Spannungsfeld zwischen Přemysliden und Habsburgern.

Der Stephansdom wurde in dieser Zeit mehrfach beschädigt und wiederhergestellt und wuchs dabei zu einem Bauwerk heran, das den Anspruch der Stadt sichtbar machte, mehr zu sein als nur eine regionale Markt- und Handelsstadt. Die Belagerung durch Rudolf von Habsburg machte deutlich, dass über die Zukunft Wiens nicht mehr allein in regionalen Zusammenhängen entschieden wurde, sondern im Rahmen eines mitteleuropäischen Machtspiels.

Rückblickend erscheint die Zeit von 1258 bis in die 1280er Jahre als Epoche der Bewährung: Wien musste Zerstörung, Wiederaufbau und politische Umbrüche verkraften – und legte dabei Grundlagen, auf denen die spätere Entwicklung zur habsburgischen Residenz- und Kaiserstadt aufbauen konnte.

Navigation

← zurück zu Geschichte Wiens
→ weiter zu 1451: Die Stände fordern Ladislaus Postumus

Quellen