1451: Wien und Ladislaus Postumus

Aus City ABC

Geschichte Wiens
1451: Die Stände fordern Ladislaus Postumus

In der Mitte des 15. Jahrhunderts stand Wien im Spannungsfeld zwischen einem zögerlichen Herrscher und selbstbewussten Ständen. Kaiser Friedrich III. hielt den jungen Ladislaus Postumus, Erben der österreichischen Länder, unter seiner persönlichen Vormundschaft zurück. 1451 formierten sich die nieder- und oberösterreichischen Stände, um den Kaiser unter Druck zu setzen: Sie wollten ihren aus ihrer Sicht rechten Herrscher aus der Obhut Friedrichs lösen und nach Wien holen.

Vormundschaft über den „rechten Erbherrn“

Ladislaus Postumus war der posthum geborene Sohn König Albrechts II. und damit der erbberechtigte Herrscher über Österreich, Ungarn und Böhmen. Nach dem frühen Tod seiner Eltern war der Knabe zur Spielfigur im Ringen großer Mächte geworden. Friedrich III., zunächst als Vormund, später als römisch-deutscher König, brachte den jungen Erben in seine Obhut und hielt ihn fern von den österreichischen Ländern.

Für die Stände in Nieder- und Oberösterreich bedeutete dies, dass ihr nomineller Landesherr unerreichbar in der Obhut des Kaisers lebte, während Friedrich selbst die Landeshoheit ausübte. Viele Adelige und Städte fühlten sich dadurch entrechtet und von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Sie sahen in Ladislaus ihren natürlichen Herrn und forderten, er solle selbst – oder über von ihnen akzeptierte Räte – die Herrschaft in den Ländern an der Donau übernehmen.

Unzufriedenheit der Stände in Ober- und Niederösterreich

Die Spannungen zwischen Kaiser und Ständen hatten sich bereits seit den 1440er Jahren aufgebaut. Finanzielle Forderungen, kriegerische Konflikte im Umfeld des Reiches und die als schwach wahrgenommene Regierungsführung Friedrichs III. verstärkten den Unmut. Die Landesstände, die aus Prälaten, Adel und Vertretern der Städte bestanden, gewannen an politischem Gewicht und traten zunehmend geschlossen auf.

1451 erreichte diese Unzufriedenheit einen neuen Höhepunkt. Die Stände waren nicht länger bereit, den dauerhaften Entzug ihres Erbherrn zu akzeptieren. In ihren Augen wurde der legitime Herrscher im Interesse kaiserlicher Machtpolitik zurückgehalten. Das Ringen um Ladislaus war daher mehr als eine Familienangelegenheit der Habsburger – es ging um die Frage, wer in Österreich die reale Macht ausübte: der ferne Kaiser oder die vor Ort versammelten Stände mit ihrem rechten Landesherrn.

Der Mailberger Bund von 1451

Im Oktober 1451 versammelten sich führende Vertreter der nieder- und oberösterreichischen Stände auf Schloss Mailberg im Weinviertel. Dort schlossen sie ein Bündnis gegen Friedrich III., das als Mailberger Bund in die Geschichte einging. Ziel war es, gemeinsam und geschlossen so lange Druck auszuüben, bis Ladislaus Postumus aus der Vormundschaft des Kaisers entlassen und in Wien als Landesherr eingesetzt würde.

Die Teilnehmer betonten, sie wollten nicht ruhen, bis nicht ihr rechtsmäßiger Erbherr seine Residenz in Wien aufgeschlagen habe. Hinter dieser Forderung stand nicht nur Loyalität zu Ladislaus, sondern auch der Wunsch der Stände, ihren Einfluss auf Regierung und Verwaltung zu sichern. Ein junger Herrscher, der auf ihre Unterstützung angewiesen war, schien ihnen berechenbarer als der machtbewusste Kaiser.

Der Mailberger Bund war damit Ausdruck eines frühneuzeitlichen Landespatriotismus: Vertreter der österreichischen Länder traten gemeinsam auf, um ihre Rechte gegenüber der kaiserlichen Zentralgewalt zu behaupten. Gleichzeitig zeigte sich hier, wie eng die Geschichte Wiens mit der Politik in den umliegenden Territorien verflochten war.

Wien im Schatten der Auseinandersetzungen

Für Wien selbst war die Lage heikel. Formell stand die Stadt unter der Herrschaft Friedrichs III., faktisch aber beobachteten Rat und Bürgerschaft genau, wie sich das Verhältnis zwischen Kaiser und Ständen entwickelte. Die Stadt musste darauf achten, nicht offen gegen ihren Landesherrn zu handeln, gleichzeitig aber ihre eigenen Interessen gegenüber Adel und Regionen zu wahren.

Die Forderung, Ladislaus möge seine Residenz in Wien nehmen, zielte direkt auf die Stadt. Wäre dies umgesetzt worden, hätte Wien einen jungen König als sichtbares Oberhaupt erhalten – mit allen Chancen und Risiken. 1451 blieb dies noch ein Programm der Stände, doch die Richtung war klar: Wien sollte nicht nur Residenz Friedrichs, sondern Hof- und Regierungsort des rechtmäßigen österreichischen Herrschers werden.

Die weiteren Ereignisse zeigten, wie ernst es den Ständen war. In den folgenden Monaten und Jahren verschärften sie ihren Druck, bis es schließlich 1452 gelang, Friedrich in Wiener Neustadt militärisch zu bedrängen und Ladislaus aus seiner Obhut zu lösen. Damit setzten sie jene Forderung durch, die 1451 in Mailberg programmatisch formuliert worden war.

Bedeutung des Jahres 1451 für Wien

Rückblickend markiert das Jahr 1451 einen wichtigen Schritt in der politischen Emanzipation der österreichischen Stände und in der Entwicklung Wiens als Schauplatz habsburgischer Machtkämpfe. Der Konflikt um Ladislaus Postumus zeigte, dass Kaiser und Dynastie nicht frei über die Länder verfügen konnten, ohne die Zustimmung einflussreicher Adels- und Städteeliten zu berücksichtigen.

Für Wien bedeuteten diese Auseinandersetzungen, dass die Stadt stärker in den Mittelpunkt österreichischer Landespolitik rückte. Hier sollte künftig jener Herrscher residieren, den die Stände als ihren richtigen Landesherrn betrachteten. Die spätere Rückkehr Ladislaus nach Wien und die weiteren Konflikte des späten 15. Jahrhunderts knüpften unmittelbar an diese Entwicklung an.

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