Der hl. Christophorus in der Salvatorgasse

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Sagen und Legenden
Der hl. Christophorus in der Salvatorgasse
Relevante Orte: Salvatorgasse 10

Der hl. Christophorus in der Salvatorgasse

Salvatorgasse 10 Wien Museum Online 1.jpg

Heiliger Christophorus, Fassadendetail 1901[1]
Relevante Orte: Salvatorgasse 10


In der Salvatorgasse, dem Eingange des alten Magistratsgebäudes gegenüber, steht ein hl. Christophorus. Wenige Wiener wissen, dass dieser kräftige Mann mit dem Stocke in der Hand den hl. Christoph vorstellen soll; viele halten diese Statue für das Bild eines schlichten Bauern.

Der hl. Christophorus und die Eselin, welche Christus bei dem Einzug in Jerusalem getragen hatte, gingen einst in die weite Welt, um sich am Reisen zu erfreuen. Der Zufall wollte, dass beide in Wien in einem Gasthause auf der Mariahilfer Straße zusammenkamen.

Die Freude des unverhofften Wiedersehens in Wien war groß, und beide erzählten einander, woher sie kamen, wohin sie wollten und was ihnen auf der Reise alles begegnet sei. Und so gab ein Wort das andere und leider kamen beide dabei in Streit hinsichtlich der Frage, wessen Verdienst das größere sei, das des hl. Christophorus, der den Herrn als Jesuskindlein getragen, oder das der Eselin, die Christum als Lehrmeister der Menschheit nach Jerusalem gebracht hat.

Sie konnten sich nicht einigen, und weil keins nachgab, so wurde der Wortwechsel schärfer und derber; ein spitzes Wort um das andere flog bald hinüber bald herüber, so dass endlich dem hl. Christophorus der Geduldfaden riss; flugs holte er mit der Hand aus und gab der Eselin einen Schlag ans Ohr, dass sie unter den Tisch fiel. Sie raffte sich aber schnell auf, warf einen zornwütigen Blick auf den Heiligen, und sagte: So, jetzt verklage ich dich bei dem Stadtrat - und lief nun, was sie laufen konnte, schnurstracks in die innere Stadt in den Magistrat.

Der hl. Christophorus zögerte auch nicht, sondern lief der Eselin nach, und als er sah, dass sie in ein Haus in der Salvatorgasse rannte, so stellte er sich diesem Hause gegenüber auf und wartete, bis die Eselin wieder herauskäme. Und so steht denn der hl. Christophorus noch immer an dieser Stelle und wartet der Eselin, doch diese hat bis heute noch nicht das Magistratsgebäude der Stadt Wien verlassen. [2], [3]

Historischer Hintergrund

Die Sage knüpft an eine tatsächlich vorhandene Christophorusdarstellung an der Adresse Salvatorgasse 10 an. Am Vorgängerhaus befand sich im späten 18. Jahrhundert ein Steinrelief des heiligen Christophorus, das 1799 vom Bildhauer C. Thaler geschaffen wurde und später in die nahegelegene Salvatorkirche übernommen wurde, wo es sich heute an der Orgelempore befindet.

Der heutige Gemeindebau Salvatorgasse 10 / Fischerstiege 1–7 entstand in den 1950er-Jahren; an der Ecke des Neubaus in Höhe der Obergeschoße wurde erneut eine Christophorusfigur angebracht und setzt damit die Tradition eines schützenden Hauszeichens fort.

Vertiefende Informationen: Der heilige Christophorus gehört zu den vierzehn Nothelfern und gilt besonders als Schutzheiliger der Reisenden. In der Volksfrömmigkeit verbreitete sich die Vorstellung, allein der Anblick einer großen Christophorusdarstellung könne vor einem plötzlichen, unvorbereiteten Tod an diesem Tag bewahren.[4] Deshalb findet man solche Figuren häufig an Stadttoren, Brücken und stark begangenen Wegen. Die Lage des Hauses zwischen Hoher Brücke, Tiefem Graben und Fischerstiege erinnert daran, dass hier seit römischer Zeit ein wichtiger Zugang zum Stadtgebiet bestand; archäologische Funde unmittelbar bei Salvatorgasse 10 reichen bis in die Epoche des Legionslagers Vindobona zurück.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Christophorusfigur nicht nur als zufällige Fassadendekoration, sondern als sichtbares Zeichen eines jahrhundertealten Schutzglaubens an einer historischen Verkehrs- und Verwaltungsachse der Stadt. Die Sage spielt mit dieser Tradition, indem sie den Heiligen selbst auf Reisen schickt und ihm – ganz im Sinn eines typischen Wiener Stadtmärchens – einen handfesten Streit mit der Eselin und dem Magistrat andichtet.

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Quellen

  1. Albert Wimmer (Fotograf), 1., Salvatorgasse 10 - Fassadendetail - Heiliger Christophorus, 1901, Wien Museum Inv.-Nr. 28601/2, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/62215/)
  2. Franz Branky, Veckenstedts Zeitschrift für Volkskunde 3, 1891, 99 f.
  3. Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 85, Seite 46
  4. Deutsche Wikipedia, Artikel Christophorus; Wien Geschichte Wiki, Artikel Nothelfer, abgerufen 2025.