Kanalnetz

Aus City ABC

Unterirdisches Wien
Kanalnetz
Wien war die erste Stadt, die bereits im 18. Jahrhundert innerhalb ihrer Ummauerung vollständig kanalisiert war. Die Geschichte der Kanalisation in Wien, die heute 2400 Kilometer lang ist, geht jedoch schon auf die Römer zurück.


Die Entstehung der Wiener Kanalisation [1], [2]

Kanal Wien 3. Mann Tour (07).JPG
  • Ca. 100 n. Chr.: Das Militärlager der XIII. Legion in Vindobona richtet die erste "moderne" Abwasserentsorgung ein.
  • Ca. 400 n. Chr.: Durch die Völkerwanderung gehen alle Hygiene-Standards verloren.
  • 1388: Im Mittelalter werden die ersten unterirdischen Leitungen ("Möhrungen") zu den offenen Gerinnen gemauert.
  • 1683: Nach der Zweiten Türkenbelagerung wird Wien neu aufgebaut, die neuen Häuser erhalten einen Anschluss an einen Straßenkanal.
  • 1739: Als erste Stadt in Europa ist Wien innerhalb der Stadtummauerung vollständig kanalisiert.
  • 1830: Durch die Cholera-Epidemie sterben in Wien 2000 Menschen. Man entschließt sich, entlang des Wienflusses Cholera-Kanäle zu errichten. Man kann sie heute im Rahmen der Dritten-Mann-Führung sehen.
  • 1837: Der Ottakringerbach, der Alsbach und der Währingerbach werden in einen großen Sammelkanal zusammengeführt.
  • 1851: Das Kanalnetz wird erweitert, alle alten Kanäle werden renoviert
  • 1861: Die Stadtmauer wird demoliert, der Ring entsteht. Im Zuge dessen wird der Ottakringerbach eingewölbt.
  • 1881: Das Kanalnetz wird weiter ausgebaut, wieder wird saniert.
  • 1891: Nun werden die Vororte in die Sammelkanäle einbezogen. Auch der Bau des rechten und linken Hauptsammelkanals wird begonnen.
  • 1914: Durch den laufenden Ausbau des Netzes gibt es bereits 923 Kilometer Straßenkanal und 1530 Kilometer Hauskanal.
  • 1923: Die Stadt kauft unter Bürgermeister Seitz private Kanalräumungsfirmen, "Wien Kanal" wird gegründet.
  • Bis 1930: Durch den Ersten Weltkrieg und die Wirtschaftskrise verläuft der Ausbau des Netzes nur schleppend.
  • 1948: Der Kanal erlangt Berühmtheit. Ein britisches Filmteam dreht hier den "Dritten Mann".
  • Bis 1950: Die 1765 Beschädigungen, die durch Bomben angerichtet wurden, werden ausgebessert.
  • 1951: Die erste Kläranlage in Inzersdorf geht in Betrieb. Sie wurde 1970 stillgelegt.
  • 1970: In Inzersdorf-Blumenthal wird anstelle der ersten Anlage eine neue eröffnet, es ist die erste Biologische Kläranlage Wiens. Sie wurde 2005 stillgelegt.
  • 1980: Eine weitere Kläranlage eröffnet in Simmering.
  • 2002: Ab nun sind alle Informationen über den Kanal auch im Internet unter KANIS abrufbar.
  • 2005: Simmering wird durch einen Ausbau zur modernsten Kläranlage Europas. Inzersorf-Blumenthal wird damit nicht mehr benötigt.
  • 2017: 99 Prozent aller Haushalte sind an das Wiener Kanalnetz angeschlossen.

Historische Notiz: 1739 und der „Vorsprung“

Bereits 1739 war Wien innerhalb der Stadtmauern vollständig kanalisiert – europaweit außergewöhnlich früh. Die Vorstädte folgten im 19. Jh.; ab 1890ern wurden Bäche großflächig eingewölbt und als Bachkanäle geführt. [3][4]

Zahlen & Fakten – heute

Öffentliche Kanäle (Stadt) rund 2.500 km; Anschlussquote ~99,8–99,9 % der Haushalte.[5]
Hauskanäle (privat) ~6.300 km (Zuleitungen von Gebäuden).[6]
Entwässerungssysteme Misch-, modifiziertes Misch- und Trennsystem (je nach Gebiet); in Stadterweiterungen bevorzugt qualifiziertes Mischsystem.[7]
Hauptsammelkanäle Rechter & linker Hauptsammelkanal sowie Wienfluss-Sammelkanäle leiten zum Klärwerk Simmering.[8]
Kläranlage ebswien Hauptkläranlage, Simmering – seit 2020 energieautark dank „E_OS“ (Klärgas).[9]

So funktioniert das Netz – kurz erklärt

Das Wiener Netz arbeitet großteils als Mischsystem: Schmutzwasser und Regen laufen gemeinsam ab; bei Starkregen entlasten sogenannte Regenüberläufe kontrolliert in Wienfluss/Donaukanal/Donau, um die Anlage zu schützen. Neue Gebiete und Umbauten setzen stärker auf (modifiziertes) Misch- oder Trennsystem. [10][11]

Die Hauptarbeit leisten die Sammelkanäle: Entlang des Wienflusses verlaufen ein rechter und ein linker Wienflusssammler (historisch „Cholerakanäle“, 1830/31), die in den rechten Hauptsammelkanal münden. Zusätzlich sorgt der Wiental-Kanal (unter dem Flussbett) für Regenentlastung. [12][13]

Wienfluss, Gewölbe & Wiental-Kanal

Wichtige Unterscheidung: Vieles, was als „Kanal“ wahrgenommen wird, ist in Wahrheit der eingewölbte Wienfluss (Regulierung/Einwölbung ab Ende 19. Jh.). Unter ihm verläuft zusätzlich der moderne Wiental-Kanal als Entlastung. [14]

Kläranlage Simmering – Energie aus Abwasser

Die ebswien Hauptkläranlage in Simmering reinigt den Großteil der Wiener Abwässer. Seit 2020 produziert sie via neuer Schlammbehandlung (Projekt „E_OS“) mehr Öko-Energie aus Klärgas als sie selbst verbraucht – die Anlage arbeitet damit energieautark. [15][16]

Besuch: „3. Mann Tour“ im Kanal

Die offizielle „3. Mann Tour“ führt (saisonal) ca. 7 m unter die Stadt – mit Helm/Lampe, Erklärungen zum Netz und Filmbezügen. Treffpunkt: Girardipark (nahe Karlsplatz/Secession). Dauer ~45 Min., i. d. R. stündlich, Mindestalter 12. Termine/Sprachen siehe Website. [17][18]

Der Kanal und Der Dritte Mann

Durch den Schmuggler-Film mit Orson Welles in der Hauptrolle wurde das Kanalnetz Wiens weltberühmt. Das Drehbuch stammte von Graham Greene, Regie führte Carol Reed und die Filmmusik komponierte der Wiener Anton Karas. Der Film gehört auch heute noch zu den 100 populärsten Streifen aller Zeiten.

Der Dreh wäre bereits am Anfang beinahe gescheitert. Ein britischer Offizier erfuhr von der "Untergrund-Polizei" und dachte sofort an eine Geheim-Polizei, die gegen die Alliierten, die damals Wien besetzten, arbeiten könnte. Dabei handelte es sich nur um eine harmlose Abteilung der Wiener Sicherheitswache, die Kanalbrigade.

In den meisten Szenen des Films ist die Straße nass. Das lag nicht am Regen, sondern daran, dass die Schatten besser sichtbar gemacht werden sollten - die Feuerwehr musste mit Spritzen dafür sorgen.

Orson Welles hatte Platzangst. Er konnte daher mehrere Szenen im Untergrund nicht selbst drehen und wurde gedoubelt. Angeblich übernahm das Double ein Wiener Fleischhauer, das Gerücht ist jedoch nicht bestätigt.

Gezeigt werden im Film meist nicht mal Kanalstellen, es handelt sich dabei eigentlich um die Einwölbung des Wienflusses.

Und das Harry-Lime-Thema von Anton Karas schaffte etwas Unglaubliches: Anton Karas erreichte damit als erster Österreicher die Nummer 1 der US-Billboard-Charts. 1950 führte er elf Wochen lang die US-Hitparade damit an. was gleichbedeutend mit 500.000 verkauften Schallplatten Inder USA. Nebenbei: Auch in Japan sind die Klänge des Filmthemas Jedem bekannt. An der Bahnstation Ebisu in Tokyo laufen die ersten Takte jedes Mal, wenn sich die Türen eines Zuges schließen. [19]

Glossar

Mörung
mittelalterlicher Begriff für gemauerte, überwölbte Ablaufleitung zu einem Gerinne (Beleg u. a. 1388). [20]
Cholerakanäle
Sammelkanäle entlang des Wienflusses (ab 1831) als Reaktion auf die Cholera-Epidemien. [21]
Düker
Leitungsführung unter einem Gewässer hindurch (z. B. unter dem Donaukanal); in Wien u. a. zur Kopplung der Hauptsammelkanäle. [22]



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Quellen

  1. https://www.wien.gv.at/umwelt/kanal/
  2. Barbara Hosp: Stichwort Wien, Falter-Verlag, 2001, Wien, S. 153
  3. Wien Geschichte Wiki: „Wiental Kanal“ (Hinweis auf 1739); „Stadtplan, Kanalisation (1739)“.
  4. Wikipedia: „Wiener Kanalisation“ – 1739 innerhalb der Stadtmauern.
  5. Stadt Wien: „Kanalnetz“ – Länge & Anschlussquote.
  6. Wikipedia: „Wiener Kanalisation“ – Hauskanäle.
  7. Studie „Die Kanalisation in Österreich im Spiegel der Statistik“ (Abschnitt Wien).
  8. Wien Geschichte Wiki: Rechter/Linker Hauptsammelkanal.
  9. ebswien: Schlammbehandlung/Energieautarkie 2020.
  10. Bund: „Mischwasserkanalisation – Grundlagen“.
  11. „Im Spiegel der Statistik“ – Systemwahl Wien.
  12. Wikipedia: „Wiener Kanalisation“ – Wienflusssammler & Wiental-Kanal.
  13. Wien Geschichte Wiki: „Wiental Kanal“.
  14. Wien Geschichte Wiki: „Wiental Kanal“; „Wienfluss“ – Regulierung/Einwölbung.
  15. ebswien: „Geschichte“ – Inbetriebnahme 2020, Energieautarkie; weitere Projektberichte.
  16. innovations-report: „Hauptkläranlage Wien wird zum Ökokraftwerk“ (E_OS).
  17. Stadt Wien: „3. Mann Tour“ – Tiefe, Zeitraum, Info.
  18. Dritte-Mann-Tour (offiziell) – Treffpunkt Girardipark, Takt, Alter, Dauer.
  19. Harald Havas: Furioses Wien: Ungewöhnliches, Unbekanntes, Unglaubliches, Metroverlag, 2014, Wien, ISBN 978-3-99300-034-9, S. 16 f
  20. Wien Geschichte Wiki: „Mörung“; „Kanalisation im Mittelalter“.
  21. Wien Geschichte Wiki: „Wienfluss“ – Cholerakanäle 1832/33.
  22. Wikipedia: „Wiener Kanalisation“ – Donaukanal-Düker/Überleitungen.