Vindobona entsteht

Aus City ABC

Wien - Geschichte
Vindobona entsteht
Die Kelten werden von den Römern verdrängt, die erste Stadt entsteht. Die Römer waren im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. den anderen Völkern kriegstechnisch weit überlegen. So gelang es ihnen unter der Herrschaft Caesars (3. Juli 100 v. Chr. - 5. März 44 v. Chr.) das römische Reich bis zu den gallischen Völkern auszudehnen, unter Caesars Großneffen Augustus (23.9.63 v. Chr. - 19.8.14 n.Chr.) wurden die nordöstlichen Alpengebiete und Ägypten einbezogen. In einem einzigen Feldzug gelang es den Stiefsöhnen von Augustus, Drusus und Tiberius, das Land zwischen Brenner und Wiener Becken zu erobern, damit erhielten die Römer wichtige Erzvorkommen und eine Produktionsstätte für Wolle und Vieh.

Vindobona entsteht – hier beginnt Wien als „Grenz-Start-up“ am Donaulimes: Die Römer übernehmen eine keltische Siedlung, bauen ein Legionslager (castrum) mit Zivilsiedlung (canabae) – und aus Holzbaracken, Straßengittern und Abwasserkanälen wird eine Stadtgeschichte, die bis heute im Grundriss nachklingt.

Kurzüberblick

Wann? Wer? Worum geht’s?
ab 15 v. Chr. Rom am Donaulimes Noricum wird ins Reich eingebunden; an bestehenden keltischen Plätzen entstehen Stützpunkte.
Ende 1. Jh. n. Chr. (ab 97) Legio XIII, später Legio X Gemina Bau/Übernahme des Lagers Vindobona; Vorstadt (canabae) im heutigen 3. Bezirk (Rennweg).
2.–3. Jh. n. Chr. Blüte & Ausbau Steinbauten, Mauern/Gräben, Werkplätze; das Straßennetz prägt bis heute Wiens 1. Bezirk.

Wie entsteht Vindobona?

Vindobona entsteht.jpg

Im 1. Jh. n. Chr. besetzen die Römer die keltische Siedlung an der Donau (das heutige Stadtzentrum) und richten ein Militärlager (castrum) mit einer Zivilstadt (im heutigen 3. Bezirk gelegen, canabae) ein; Baubeginn um 97 n. Chr. (zunächst Holzbaracken, nachweisbar Am Hof). Die Kasernen sind mit geschotterten Straßen verbunden, flankiert von Abflussrinnen – frühe Stadthygiene inklusive.[1]

Lager & Stadtplan

Das Lager maß etwa 455 × 500 m – kein perfektes Rechteck, sondern an Hochwasser und Seitenarme der Donau angepasst. Noch heute sind die ehemaligen Mauern des Lagers erkennbar, sie verliefen entlang der Straßen Tiefer Graben, Naglergasse, Graben, Kramergasse, Rotgasse, Rabensteig und etwa parallel zum Salzgries.

Da das römische Lager auf drei Seiten von Flussläufen eingegrenzt war - durch die Rotenturmstraße und den Tiefen Graben verliefen Seitenarme der Donau - galt es als gesichert - nur die Südflanke im Bereich der Naglergasse lag ungeschützt. Hier befand sich das rückwärtige Lagertor, die Porta Decumana. Vor diesem Tor lag ein Graben - tatsächlich der heutige Graben - und ein breiter Gürtel mit tiefen Fallgruben. [2]

Legionen & Vorstadt

Begonnen von der Legio XIII, übernahm um 110 n. Chr. die Legio X Gemina pia fidelis (pflichtbewusste und getreue) das Lager (Entsendung unter Trajan). Südöstlich entstand die Zivilsiedlung (canabae) im Bereich Rennweg: Brennöfen, Werkplätze, Keramikproduktion und Alltagswirtschaft prägten das Areal – ein „Industriepark“ der Antike.[3]

Auf der Linie: Limes & Nachbarschaft

Vindobona lag in einer Kette römischer Plätze am Strom. Die Verbindungslinie liest sich wie eine Reiseroute: Asturis (Klosterneuburg) → Leopoldsberg → Vindobona → Rennweg (canabae) → Aquae (Baden) → Villa Gai → Ala Nova (Schwechat) → Aequintocticum (Fischamend) → Carnuntum.

Fundgeschichte: Der Grabstein des Titus Flavius Draccus

Grabstein des Draccus

Einer der frühesten Nachweis für die römische Besiedlungen wurde 1901 erbracht: Man stieß in der Habsburgergasse 9 auf einen Grabstein, der aus der Zeit vor 96 v. Chr. stammt, der des Titus Flavius Draccus.

Das Relief auf dem Grabstein stellt den Kavallerist Flavius Draccus dar, ein Pferdeknecht (calo) hält mit der einen Hand ein Pferd fest, in der anderen trägt er die Waffen des Todes. Bei dem Feldherren handelt sich allerdings um einen "eingebürgerten" Römer (einem Kelten aus Burgund), denn Römer rekrutierten ihre Reiter aus den keltischen Völkern.

Die Inschrift besagt, dass der Reitersoldat mit 45 Jahren, im 22. Dienstjahr, civis Sequanus (aus dem Gebiet der Sequaner), starb:[4]

T(itus) F(lavius) Draccus
Eques Alae I F(laviae) D(omitianae)
Brit(anicae) m(illitarea) c(ivium)
R(omanorurm)
civis Sequanus an(norurm) XXXXV
stupendiorum XXII."
[5]

Mini-Zeitleiste: Vindobona im Kontext

Zeit Weltweit zeitgleich in Wien / Umfeld
ab 15 v. Chr. Noricum im Reich; Donaulimes Keltische Plätze werden römische Stützpunkte
1. Jh. n. Chr. Ausbau des Limes Lageranlage bei Wien; Vorstadt (canabae)
ab 97 n. Chr. Flavier/Trajan Bau-/Umbauphasen, erst Holz, dann Stein (Am Hof)
ab ca. 110 n. Chr. Trajan/Hadrian Legio X Gemina übernimmt; Rennweg: Produktion/Öfen
2.–3. Jh. n. Chr. Blüte & Krisen Mauer-/Graben­system; Grundriss prägt bis heute den 1. Bezirk

Mythentrennung (kurz & freundlich)

Behauptung Was stimmt?
„Der Graben heißt so wegen der Einkaufsmeile.“ Der Name erinnert an den Lagergraben vor der Südflanke – später überbaut, der Name blieb.
„Alles römisch = alles Stein.“ Frühphasen waren Holz und Erde (Baracken, Gräben). Steinbauten kamen mit dem Ausbau.

Ansichten



Quellen

  1. Johannes Sachslehner: Wien. Eine Geschichte der Stadt, Pichler Verlag, 2012, Wien, ISBN 978-3-85431-600-8; Wien Museum/Am Hof-Funde.
  2. Vgl. Grundriss-Nachzeichnen in der heutigen Straßenflucht (u. a. Graben = ehemaliger Lagergraben)
  3. Archiv Wien, Archiv Verlag, Blatt W 01002
  4. Wien Museum, Inv.-Nr. MV 670 (Fundort Habsburgergasse 9, 1901), mit Transkription/Übersetzung der Inschrift.
  5. Archiv Wien, Archiv Verlag, Blatt W 01001