Coole Straßen in Wien

Aus City ABC

Coole Straßen in Wien waren temporär verkehrsberuhigte Straßenräume, die in den Sommermonaten für Abkühlung, Aufenthalt und Spiel in dicht bebauten Grätzeln sorgen sollten. Fahr- und Parkverkehr wurden stark eingeschränkt, Sitzmöbel, Begrünung, Wasserelemente und Spielelemente kamen hinzu. Später entstanden daraus dauerhaft umgestaltete klimaangepasste Straßen, die heute als „Coole Straßen Plus“ und als kühle beziehungsweise klimaangepasste Straßen weitergeführt werden; vgl. Cooles Wien, Coole Parks in Wien und Klimawandelanpassung in Wien.[1]

Idee und Einordnung

Die Coole-Straßen-Initiative entstand vor dem Hintergrund zunehmender Hitzeperioden und der Suche nach neuen Formen von Freiraum in dicht bebauten Wohngebieten. Coole Straßen sollten Orte zum Aufhalten im Freien, zum Spielen und Abkühlen im eigenen Grätzl sein. Für Autos galt in diesen Straßen ein weitgehendes Fahr-, Halte- und Parkverbot, damit mehr Platz für Menschen, Schatten, Wasser und temporäre Möblierung zur Verfügung stand.[2]

Stadtklimatisch knüpften Coole Straßen an das Konzept der klimaangepassten Straßen an, wie sie in der Smart City Wien Strategie und in der Rubrik „Kühle Straßen“ beschrieben werden. Helle Beläge, Baumpflanzungen, Wasserinstallationen und neue Aufenthaltsflächen sollten urbane Wärmeinseln reduzieren und die Lebensqualität in den Hitzepolen der Stadt erhöhen.[3]

Pilotphase 2019

Die erste Staffel der Coolen Straßen startete im Sommer 2019 mit drei Pilotprojekten. In ausgewählten Abschnitten – etwa in Hasnerstraße und Wolfganggasse – wurden Fahrspuren gesperrt, Parkplätze temporär aufgehoben, Sitzmöbel, Begrünung, Nebelduschen und Spielflächen eingerichtet. Die Straßen wurden über mehrere Wochen in eine Mischung aus Wohnzimmer im Freien und Spielstraße verwandelt.[4]

Begleitende Forschung und Simulationen im Auftrag der Stadt zeigten teils deutliche Effekte: In einer Evaluierung wurde für die Hasnerstraße im 16. Bezirk eine temperaturbedingte Abkühlung von bis zu rund fünf Grad Celsius berechnet, in anderen Straßen lagen die Werte etwas niedriger. Der größte Effekt wurde dort erzielt, wo Nebelduschen, Wasser und Entsiegelung zusammentrafen.[5]

Ausbau 2020: 18 temporäre und vier dauerhafte Coole Straßen

Nach der positiven Resonanz im ersten Jahr wurde das Programm 2020 deutlich ausgeweitet. Während der Sommerferien wurden in 18 Bezirken 18 temporäre Coole Straßen eingerichtet. Zusätzlich starteten vier dauerhaft umgestaltete „Coole Straßen Plus“ in Phorusgasse, Goldschlagstraße, Pelzgasse und Franklinstraße.[6]

Die Coolen Straßen Plus wurden baulich neu organisiert: Bäume, helle Beläge, Schatten- und Wasserelemente, Sitzmöbel und verkehrsberuhigte Abschnitte sollten dauerhaft für ein kühleres und freundlicheres Straßenklima sorgen. Die Stadt führt diese vier Standorte bis heute als Beispiel klimaangepasster Straßen.[7]

In den temporären Coolen Straßen sorgten Betreuer:innen für Information und Ansprechbarkeit, Kinder spielten auf der Fahrbahn, und Sitzgelegenheiten wurden als Treffpunkte im Grätzl genutzt. Umfragen unter Anrainer:innen ergaben hohe Zustimmungswerte, auch zur Reduktion von Parkplätzen im Sommer.[8]

Übergang zu dauerhaften klimaangepassten Straßen

Nach dem Regierungswechsel in Wien 2020 wurde das Programm in der ursprünglichen Form nicht fortgesetzt. Im Sommer 2021 kam das Aus für die temporären Coolen Straßen, während die vier Coolen Straßen Plus als dauerhafte, klimaangepasste Straßen erhalten blieben. Die Stadt begründete dies unter anderem damit, den Fokus stärker auf langfristige Maßnahmen wie Begrünung, Entsiegelung und Umbau von Straßenräumen zu legen.[9]

Einzelne Standorte wurden von der Bevölkerung in Eigenregie weitergeführt. In der Hasnerstraße entwickelte sich aus der temporären Coolen Straße eine von einem Verein organisierte Sommeroase, die mit Unterstützung des Bezirks und der Lokalen Agenda 21 betrieben wird. Sie setzt auf Sitzmöbel, Begrünung, Veranstaltungen und temporäre Verkehrsberuhigung und zeigt, wie stark der Wunsch nach kühlen Freiräumen im Grätzl ist.[10]

Parallel dazu wurden andere Projekte im Sinn klimaangepasster Straßen weiter vorangetrieben, etwa die kühle Meile Zieglergasse, die mit zusätzlichen Bäumen, Wasserelementen und kühlenden Bögen als Best-Practice-Beispiel für Klimawandelanpassung geführt wird.[11]

Wahrnehmung und Bewertung

Die Evaluierung der Coole-Straßen-Pilotphase zeigt, dass die Maßnahmen aus Sicht der Stadtplanung und der Stadtökologie relevante Effekte hatten. Simulationen und Messungen belegen Temperaturreduktionen von bis zu mehreren Grad, vor allem dort, wo Wasser, Schatten und Entsiegelung kombiniert wurden. Gleichzeitig machte das Projekt deutlich, wie stark die Akzeptanz von verkehrsberuhigten Straßen von guter Kommunikation, Beteiligung und ergänzenden Aufenthaltsangeboten abhängt.[12]

Diskussionen im Wiener Gemeinderat und in den Bezirken zeigen, dass Coole Straßen auch politisch umkämpft waren. Für die einen waren sie Symbol einer klimagerechten Stadt und wichtiger Beitrag zur Hitzeminderung, für andere standen Kosten, Parkraumbedarf und verkehrliche Fragen im Vordergrund.[13]

Coole Straßen im Kontext von Stadtökologie und Klimaanpassung

Auch wenn die Marke „Coole Straße“ als temporäres Sommerformat nicht mehr weitergeführt wird, wirkt die Idee in vielen Projekten weiter. Die vier Coolen Straßen Plus, kühle beziehungsweise klimaangepasste Straßen, Grätzloasen, Sommeroasen und Projekte wie die kühle Meile Zieglergasse greifen zentrale Elemente des Konzepts auf: weniger Autoverkehr, mehr Bäume, mehr Wasser, mehr Platz für Menschen.[14]

Damit stehen Coole Straßen exemplarisch für den Übergang von kurzfristigen, temporären Interventionen zu dauerhaft umgebauten Straßenräumen. Sie verbinden Hitzeschutz und Stadtökologie mit einer neuen Nutzung des öffentlichen Raums, wie sie in Stadtökologie in Wien, Hitze in Wien und Klimawandelanpassung in Wien beschrieben wird.

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Quellen

  1. Wiener Mobilitätsagentur: „Coole Straßen bringen Abkühlung und Platz für Wiens Hitzepole“, 18 temporäre und 4 dauerhaft umgestaltete Coole Straßen im Sommer 2020, mobilitaetsagentur.at, 2020.
  2. Bundesministerium für Klimaschutz, Entwurf „Zweiter Fortschrittsbericht Anpassung an den Klimawandel“, Good-Practice-Beispiel „Coole Straßen Wien“, 2020.
  3. Smart City Wien: „Kühle Straßen – klimaangepasste Straßen als Beitrag zur Klimawandelanpassung“, smartcity.wien.gv.at, 2019.
  4. Urban-Mobility-Newsletter „Wiens Coole Straßen“, Sommer 2019, cistoustopou.cz.
  5. tbw research: Evaluierung der Aktion „Coole Straßen in Wien“, zitiert in: Klimawandel-Anpassungskonzept Augsburg, 2020.
  6. Mobilitätsagentur Wien: „Coole Straßen bringen Abkühlung und Platz für Wiens Hitzepole“, 2020.
  7. Stadt Wien: „Coole Straßen Plus“, Informationen zu Phorusgasse (4.), Goldschlagstraße (14.), Pelzgasse (15.) und Franklinstraße (21.), wien.gv.at/verkehr/coole-strassen-plus.
  8. relevant.news: „Wo ist Wiens ‚Coolness‘ geblieben?“, Bericht zu Coolen Straßen, Befragungsergebnissen und Temperaturmessungen, 1. August 2024.
  9. relevant.news: „Wo ist Wiens ‚Coolness‘ geblieben?“, Abschnitt „Das Aus für die coole Straßen“, 2024.
  10. relevant.news: „Die coole Straße wird zur Sommeroase“, Beispiel Hasnerstraße und Verein O.N.E.16, 2024.
  11. VCÖ: „Kühle Meile Zieglergasse“, vorbildhaftes Mobilitätsprojekt, mobilitaetsprojekte.vcoe.at, 2019.
  12. tbw research: Evaluierung der Aktion „Coole Straßen in Wien“, 2019; zitiert in Anpassungsberichten zum Klimawandel, 2020.
  13. Gemeinderat Wien: Protokolle GR-074/2020 und GR-012/2021 mit Debatten zu „Coolen Straßen“, mdb.wien.gv.at.
  14. Smart City Wien: „Kühle Straßen – klimaresiliente Stadt“, smartcity.wien.gv.at; VCÖ: „Kühle Meile Zieglergasse“, 2019.